War Georg Elser Mitglied einer kommunistischen Troika?

Spekulationen über Karl Kuch in einer "Stern"-Reportage aus dem Jahr 1964

Ein etwas dubioser Schweizer, der ursprünglich aus Königsbronn kam, ein Kellner der Aalener Bahnhofsgaststätte und Georg Elser bildeten eine kommunistische Dreier-Zelle, die Hitler im Auftrag Moskaus beseitigen sollte. Was ist von dieser keineswegs als Scherz gemeinten Theorie zu halten, die 1964 in einer dreiteiligen Reportage des "Stern" begründet wurde?


VON PETER KOBLANK (2006)

Im Mai 1964, kurz nach der Entdeckung der Gestapo-Verhörprotokolle Elsers 1 durch den Historiker Lothar Gruchmann, veröffentlichten die Journalisten Ernst Petry und Günter Peis in der Zeitschrift "Stern" unter dem Titel "Der Attentäter" eine dreiteilige Reportage 2 über den Bürgerbräuattentäter.

Die Stern-Reporter stellten der breiten Öffentlichkeit Hintergrundinformationen über Georg Elser vor, die für die damalige Zeit völlig neu waren und mit den heutigen Erkenntnissen der Forschung über Elser als Einzeltäter in den meisten Punkten im Übereinklang stehen.

Allerdings umrahmten Petry und Peis die überwiegend korrekt wiedergegebenen Fakten mit einer Hypothese, die sie als Tatsache ausgaben, ohne dafür irgendeinen triftigen Beweis zu erbringen:

  • Elser sei Mitglied einer kommunistischen Dreiergruppe (Troika) gewesen.
  • Leiter dieser Troika sei Karl Kuch gewesen, ein etwas undurchsichtiger Schweizer Bürger, der ursprünglich aus Königsbronn, dem Wohnort Elsers stammte.
  • Kuch sei der eigentliche Inspirator des Bürgerbräuattentats gewesen.
  • Nach Kuchs Tod bei einem Autounfall im Juni 1939, also fünf Monate vor dem Attentat, habe Elser dann das Attentat ohne weitere Anleitung durchgezogen.
  • Nur so sei es zu erklären, dass der Einzelgänger Georg Elser das Attentat bis ins letzte Detail allein ausführte.

Anton Hoch, Historiker und Leiter des Archivs des Instituts für Zeitgeschichte in München, der 1969 die zahlreichen Gerüchte um Elser 1969 endgültig widerlegte, ging auf die Stern-Reportage von Petry und Peis lediglich in einer Fußnote ein: "Nach den uns vorliegenden Unterlagen handelt es sich hier um eine recht freizügig kombinierte Story, die keiner detaillierten Widerlegung bedarf." 3

Nichtsdestotrotz halten sich die Spekulationen um Karl Kuch bis zum heutigen Tage. Eine ausführliche Neuauflage der Gerüchte über Kuch als den eigentlichen Organisator des Attentats wurde in den 1990-er Jahren von dem Heidenheimer Nervenarzt Gottfried Odenwald 4 publiziert. Daher erscheint es aus heutiger Sicht als durchaus sinnvoll, die Stern-Reportage von 1964 näher unter die Lupe zu nehmen.

Diese Analyse der umfangreichen Reportage kann sich im Wesentlichen auf zwei Abschnitte, in denen Petry und Peis von der angeblichen kommunistischen Troika des Karl Kuch berichten, beschränken. Diese stehen am Anfang des ersten Teils vom 3.5.1964 und am Ende des dritten und letzten Teils vom 17.5.1964.

Karl Kuchs Tod

Die Stern-Reportage beginnt mit folgenden Ausführungen:

Auf der Reichsstraße 19 zwischen Oberkochen und Königsbronn in Württemberg fuhr am Pfingstmontag des Jahres 1939, kurz nach 5 Uhr früh, ein Opel vom Typ Super 6 mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Apfelbaum. Ohne ersichtlichen Grund. Die Chaussee war schnurgerade, der Straßenzustand an der Unfallstelle einwandfrei. Kein Gegenverkehr, kein Hindernis hatte den Fahrer des Unglückswagens von der Fahrbahn gedrängt. Dafür gab es einen Augenzeugen.

Der Pächter des "Seegartenhofes", Müller, war nämlich an diesem Pfingstmontag trotz der frühen Morgenstunde bereits draußen auf seinem Feld. Er sah den Wagen auf der Landstraße vorbeirasen und hörte bald darauf das Krachen und Splittern.

Bei dem Apfelbaum konnte Müller nur noch eine tote Frau und einen schwerverletzten Mann aus den Trümmern des Wagens ziehen.

Während Müller sich noch um den Verletzten bemühte, kam ein Lastwagen des Steinbruchbesitzers Vollmer aus Königsbronn vorbei. Der Fahrer Kaspar Hitzler hielt und wollte ebenfalls helfen.

Es gab nichts mehr zu helfen. Müller und Hitzler vernahmen nur noch die letzten Worte des Schwerverletzten:

"Ist die Gestapo schon da?"

Die Gestapo war nicht da. Und sie kam auch nicht. Lediglich der Gendarmeriewachtmeister aus Königsbronn, Michael Aigner, fand sich eine halbe Stunde später an der Unfallstelle unter dem Apfelbaum ein. Von den letzten Worten des Verunglückten erfuhr Aigner allerdings nichts. Denn Müller und Hitzler standen nicht zu Unrecht im Verruf, Gegner des nationalsozialistischen Regimes zu sein,10 und sie hüteten sich, letzte Worte dieser Art an den von Hitlers Sendung überzeugten Aigner weiterzugeben. Dazu kam, dass sowohl Müller und Hitzler wie auch der Gendarmeriewachtmeister die Toten sehr gut kannten.

Der Mann hieß Karl Kuch, 52 Jahre alt, geboren in Königsbronn, seit 1925 Schweizer Staatsbürger, wohnhaft in Zürich.

Neben ihm lag seine Ehefrau Bertl Kuch, geborene Sinsler, die gegen den Willen ihres Vaters den "hergelaufenen Deutschen" geheiratet hatte und dafür enterbt worden war.

Karl Kuch und seine Frau kamen ziemlich häufig mit ihrem Wagen aus Zürich nach Königsbronn, wo sie durch großspuriges Auftreten über das braune Regime auffielen. Damit nicht genug. Für schwäbische Begriffe gab Kuch mit gar zu leichter Hand viel Geld aus, und die Königsbronner munkelten, dass Karl Kuch in undurchsichtige Geschäfte, verwickelt sei, obgleich er in Zürich einen soliden Handel mit Klavieren betrieb.

Der Steinbruchbesitzer Georg Vollmer - damals auch Ortsgruppenleiter - erinnert sich heute noch:

"Einmal erschien er (Kuch) bei mir in der Wohnung. Wir waren Schulfreunde. Er warf einen Lederbeutel auf den Tisch und sagte: 'Du bist doch richtig blöd. Warum machst du nicht mit? Mit deinem Steinbruch kannst du so was nie verdienen. Sieh dir das mal an.' Ich fasste in den Beutel und hatte die Hand voller Juwelen, Ringe und Schmuckstücke."

Dieser Karl Kuch, der sich aus Deutschland frühzeitig in die Schweiz abgesetzt hatte und dem das Hakenkreuz später ein Greuel war; der in seiner schwäbischen Geburtsstadt Königsbronn unter den ehemaligen Schulfreunden ausländische Hitlerwitze verbreitete und düstere Prognosen über einen bevorstehenden Krieg anstellte; jener Kuch, der aber andererseits die nationalsozialistischen Devisenbestimmungen skrupellos zu seinem Vorteil ausnützte, indem er Geld und Gold bei seinen Fahrten über die Grenze schmuggelte - dieser zwielichtige Mann also, der an einem Pfingstmontag neben seiner Frau tot unter einem Apfelbaum lag, hat eine ungeheure Tat ausgelöst. Wäre diese Tat vollends geglückt. hätte sie für die Weltgeschichte unübersehbare Folgen gehabt.

Denn Karl Kuchs Einfluss verdanken es die Königsbronner, dass ihnen plötzlich ein Attentäter erwuchs, der Adolf Hitler in die Luft sprengen wollte.

Georg Elser hieß der Mann. Sein Name war vierzehn Tage lang in großen Lettern in den Schlagzeilen der Weltpresse zu lesen. Dann wurde er schnell wieder vergessen.

Halten wir fest, dass Karl Kuch am 3.6.1939 zusammen mit seiner Ehefrau bei einem Autounfall zwischen Oberkochen und Königsbronn ums Leben kam. Dies ist aktenkundig. 5 Es mag auch sein, dass Karl Kuch dem Georg Vollmer, dem der Steinbruch gehörte, wo Elser den Sprengstoff für seine Bombe entwendete, irgendwann einmal einen Lederbeutel voller Juwelen, Ringe und Schmuckstücke gezeigt hat.

Spur nach Moskau?

Die Autoren legen aber bis hierher keinerlei Indizien zu Karl Kuchs angeblichem Einfluss auf Georg Elser vor. Erst am Ende des dritten und letzten Teils ihrer Reportage greifen sie diesen Faden wieder auf:

Heute drängt sich jedoch die Frage auf, warum Hitler und seine Gestapo so angestrengt nach Hintermännern in den Reihen des Secret Service und des "internationalen Judentums" gesucht haben, denn es gab eine Spur ins Ausland, die zumindest genauso logisch war. Und diese Spur führte nach Moskau.

Erinnern wir uns: Der Schweizer Staatsbürger Karl Kuch war "links" eingestellt, hatte jedoch auch Verbindungen zu dem ehemaligen Hitler-Anhänger und späteren Hitler-Gegner Otto Strasser; der wohnte in Zürich vier Häuser neben Kuch.

Es werden keine Beweise dafür vorgelegt, dass Karl Kuch "links", gemeint ist wohl im Sinne des damals von Moskau propagierten Kommunismus, war.

Der Hitler-Gegner Otto Strasser war ein nach wie vor überzeugter Nationalsozialist, der sich allerdings mit Hitler überworfen hatte, 1930 aus der NSDAP ausgeschlossen worden war, seit 1933 im Exil lebte und mit seiner "Schwarzen Font" gegen das Dritte Reich agitierte. Die Nazis beschuldigten ihn als Drahtzieher Elsers, wozu sich Strasser jedoch - auch nach dem Krieg - nie bekannt hat. Strasser lebte 1938/39 in Zürich, wohnte aber nachweislich nicht vier Häuser neben Kuch. Die Stern-Reporter bringen Strasser und Kuch in eine Verbindung, die in der Wirklichkeit nicht bestand und die sie, wenn man genau liest, auch nicht wirklich behaupten.

Von den beiden Möglichkeiten - Anschlag von links oder Anschlag von rechts - suchten die Propagandisten des Dritten Reiches die aus, die am besten in die gegenwärtige politische Konstellation passte.

Im August 1939 hatte Hitler mit Stalin überraschend einen Nichtangriffspakt geschlossen. Stalin konnte zu dieser Zeit kein Interesse daran haben, Hitler zu beseitigen - und Hitler keines, Stalin in Verdacht zu bringen. Ein Attentat von "links" zu propagieren, war nicht opportun.

Aber es ist Tatsache, dass Karl Kuch Chef einer kommunistischen Dreiergruppe war - im Geheimdienstjargon Troika genannt -, die dieses Attentat im Münchner Bürgerbräu geplant hatte. Elser war der zweite, der Kellner Ketterer aus der Bahnhofsgaststätte Aalen der dritte Mann der Gruppe. Nach alter Verschwörergepflogenheit kannten sich diese "Untermänner" gegenseitig nicht.

Kommunistische Troika eine Tatsache?

Diese kommunistische Troika Kuch-Elser-Ketterer ist keineswegs eine Tatsache, sondern lediglich eine aus der Luft gegriffene Spekulation der Stern-Reporter, für die sie keinen einzigen Beweis vorlegen.

Wir wissen heute, dass der "Chef" Karl Kuch sich am Pfingstmontag des Jahres 1939 morgens nach 4.30 Uhr, in der Bahnhofswirtschaft Aalen bei seinem Untermann Ketterer aufgehalten hat. Hastig übergab ihm der Kellner einen Zettel (andere Zeugen behaupten, es sei ein Telegramm gewesen). Kuch warf einen kurzen Blick darauf und brach überstürzt auf. Er lenkte sein Auto in Richtung Schweiz.

Eine Viertelstunde später prallte er mit seinem Wagen zwischen Aalen und Königsbronn in höchster Geschwindigkeit gegen einen Baum.

Seine letzten Worte waren: "Ist die Gestapo schon da?"

Dann starb er.

Der Tod Karl Kuchs und seine angebliche Frage nach der Gestapo sind keine Beweise für die Existenz einer kommunistischen Troika Kuch-Elser-Ketterer.

Kuchs Auftraggeber auf "höherer Ebene" waren von dieser Nachricht nicht sehr berührt. Denn Schwierigkeiten zwischen Moskau und Berlin waren, wie gesagt, jetzt plötzlich gar nicht erwünscht. Die Auftraggeber wähnten sich sicher, dass nach dem Tode ihres Mittelsmannes Kuch ohnehin nichts mehr passieren könne.

Wer und wo diese Auftraggeber gewesen sein sollen, über deren Gedankengänge die beiden Stern-Reporter so gut Bescheid zu wissen vorgeben, wird nicht konkretisiert.

Aber in einem Punkt hatten sie sich verrechnet: Georg Elser, der ihnen unbekannte Untermann ihres Troika-Chefs, war ein verlässlicher schwäbischer Handwerker. Eine Arbeit, die er einmal in Angriff genommen hatte, machte er auch fertig. Nur so ist es zu erklären, dass der Einzelgänger Georg Elser das Attentat bis ins letzte Detail allein ausführte. Und nur so es zu erklären, dass er bei dem versuchten illegalen Grenzübergang in die Schweiz das Bild von dem Münchner Bürgerbräusaal, auf dem er genau die Lage seiner Höllenmaschine eingezeichnet hatte, in der Tasche trug. Und außer diesem Bild auch noch Teile eines Zeitzünders.

Elser wollte in der Umgebung des toten Kuch nach Mittelsmännern suchen. Und mit diesen Utensilien wollte er beweisen, dass er der Attentäter war.

Die zahlreichen schriftlichen Quellen und Zeitzeugen zu Georg Elser bieten hinreichende Erklärungen dafür, wie und warum Elser das Attentat als Einzeltäter ausführte, ohne dass es dazu der Fiktion einer von Karl Kuch geleiteten kommunistischen Troika bedarf.

Die mitgeführten Gegenstände, mit denen man Elser bei der Verhaftung an der Grenze zur Schweiz erwischte, weisen darauf hin, dass er sich in der Schweiz als Bürgerbräuattentäter zu erkennen geben wollte. Sie sind kein Beweis dafür, dass er dort "in der Umgebung des toten Kuch nach Mittelsmännern suchen" wollte.

Es gibt weitere Hinweise für diese Annahme. Karl Kuch hat zwei Monate vor seinem Tod seinem Schulkameraden Vollmer in Königsbronn gesagt, dass er an Schiffsattentaten beteiligt gewesen sei, und dass im Herbst "Hitler dran glauben müsse".

Hier wird erstmals ein konkreter Zeitzeuge benannt. Es handelt sich um Georg Vollmer, dem der Steinbruch gehörte, wo Elser den Sprengstoff für seine Bombe entwendete. Es fällt auf, das die Spuren der Gerüchte um Kuch und Elser stets bei der Vollmerschen Familienüberlieferung enden. Auf die Zuverlässigkeit dieser Quelle wurde bereits ausführlich eingegangen. 5

An dieser Stelle soll der Hinweis genügen, dass nach Recherchen des Elser-Biografen Hellmut G. Haasis genau dieser Georg Vollmer 1956 sogar behauptet hat, "er habe von Elsers Attentat Kenntnis gehabt und ihm den Sprengstoff selber zur Verfügung gestellt." 6

Kommen wir zum Abschluss der Kuch-Story im Stern aus dem Jahr 1964:

Und noch ein Beweis: Nach Elsers Verhaftung und nach der Vernehmung seines gesamten Bekanntenkreises wurde die Leiche Karl Kuchs exhumiert. Glaubte die Gestapo nicht an seinen Unfalltod?

Die Spur wurde jedoch nicht weiterverfolgt. Denn die Gestapo hatte einen Schuldigen. Er saß im KZ Sachsenhausen und später in Dachau. Er war "Prominentenhäftling" während des ganzen Krieges. Man hatte ihm eine Bastelstube eingerichtet, und er hatte sich unter anderem aus abertausend abgebrannten Streichhölzern eine Zither zusammengeklebt. Und er spielte gern und oft darauf.

Auch eine Exhumierung der Leiche Karl Kuchs durch die Gestapo ist kein Beweis für die Existenz einer kommunistischen Troika Kuch-Elser-Ketterer.

Der Vollständigkeit halber seien zwei weitere, allerdings eher nebensächliche Verweise von Petry und Peis auf Kuch zitiert. Der erste befindet sich auf Seite 150 des ersten Teils der Stern-Reportage:

In all diesen Jahren traf Elser von Zeit zu Zeit mit Karl Kuch zusammen. Elser fuhr einige Male nach Zürich. Aber noch öfters kam Kuch nach Königsbronn. Die beiden waren nicht nur befreundet, sondern sie hatten auch geschäftlich miteinander zu tun. Elser zimmerte für Kuchs Piano-Handlung Transportkisten.

Zum letztenmal sahen sie sich am Pfingstsonntag 1939. Als das Ehepaar Kuch drei Tage später auf dem Friedhof Itzelberg beerdigt wurde, stand Elser mit ein paar Neugierigen am offenen Grab.

Es gibt tatsächlich Zeitzeugen für die Behauptung, dass Elser und Kuch sich persönlich kannten, obwohl dies von anderen, beispielsweise Elsers Bruder Leonhard, bestritten wird. Es gibt auch die Aussage von Albert Bauer aus Königsbronn, genannt der "Lammwirts Albertle", dass Elser in den 20-er Jahren bei der Pianofabrik Hüni in Zürich gearbeitet habe, deren Betriebsleiter damals Karl Kuch war. 7 Ob Elser bei Kuchs Beerdigung mit ein paar Neugierigen am Grab stand, sei dahingestellt. All dies untermauert jedenfalls nicht die Existenz einer kommunistischen Troika Kuch-Elser-Ketterer. Weiter auf Seite 150:

Ob der Unfalltod Karl Kuchs in Elser den Entschluss ausgelöst hat, Hitler umzubringen, weiß kein Mensch. Nachweislich ist jedoch, dass er von diesem Augenblick an nur noch dieses Ziel vor Augen hat, dass er nichts anderes tut, nichts anderes plant und nichts anderes will. Elser ist mit seinem lebensgefährlichen Plan allein.

Abgesehen davon, dass Elser bereits im November 1938 mit den Planungen des Attentats begonnen und zum Zeitpunkt des Unfalltodes von Kuch im Juni 1939 bereits Pulver und Zünder (Firma Waldenmaier) sowie den Sprengstoff (Steinbruch Vollmer) entwendet hatte, stehen die Stern-Autoren mit diesen vagen Aussagen in einem sonderbaren Widerspruch zu ihren eigenen, ansonsten eher forschen Behauptungen.

Blitzaktion in der Nacht der Verhaftung?

Ein weiterer Verweis auf Kuch findet sich im dritten Teil der Stern-Reportage beim Bericht über die Verhaftung Elsers in Konstanz. Die Stern-Reporter behaupten dort, die Gestapo habe noch in dieser Nacht über eine "Blitzaktion" in Königsbronn ermittelt:

Elser sei mit einem gewissen Karl Kuch, der aus Königsbronn stammte, aber seit 1925 Schweizer Staatsbürger war, bekannt gewesen. Und die Gestapo fand schnell heraus, dass Karl Kuch Hitlergegner war und Verbindungen zu linksgerichteten Kreisen hatte. Und sie ermittelte, das Karl Kuch am Pfingstmontagmorgen 1939 unter eigenartigen Umständen mit seinem Wagen tödlich verunglückt war.

Von Elser wussten die Gestapoleute in der Zwischenzeit, dass er ebenfalls "links" eingestellt war und lange mit Kuch zusammengearbeitet hatte.

Das war die Ausbeute der ersten Nacht.

Dass die Gestapo dies alles in der Nacht der Verhaftung in und von Konstanz aus ermittelt hat, ist reine Fiktion, die zu sämtlichen historischen Quellen über die tatsächlichen Ermittlungen im Fall Elser im Widerspruch steht. Die Journalisten wollten vermutlich mit dieser Darstellung beim Leser eine gewisse Empfänglichkeit erzeugen für ihre wenige Seiten später dargelegte Theorie von der kommunistischen Troika Kuch-Elser-Ketterer, die sie jedoch in ihrer gesamten Reportage mit keinen einzigen überzeugenden Beweis untermauern konnten.

Was Ernst Petry und Günter Peis dazu veranlasste, ihre ansonsten weitgehend wirklichkeitsnahe Reportage im Stern mit den unhaltbaren Spekulationen um Kuch auszuschmücken, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Peis hat diese Theorie im Jahre 1995 in einer Focus-Reportage 8 nochmals bekräftigt.

Zur Ehrenrettung von Günter Peis ist zu erwähnen, dass er im November/Dezember 1959, mit einem Abstand von damals nur zwanzig Jahren zum Attentat, eine umfangreiche Serie über Georg Elser in der Wochenzeitung "Bild am Sonntag" veröffentlichte. 9 Die damalige Bild-am-Sonntag-Reportage war eine seriöse journalistische Arbeit. Auf Basis von Interviews mit damals noch lebenden Zeitzeugen kam Peis 1959 zum eindeutigen Ergebnis, dass Elser entgegen allen damals kursierenden Gerüchten ein Einzeltäter war.

Die vollständigen in Bild am Sonntag (1959), Stern (1964) und Focus (1995) veröffentlichten Reportagen sind in der Georg Elser Gedenkstätte in Königsbronn einsehbar.

1Bundesarchiv Koblenz, Signatur R 22/3100
2Ernst Petry/Günter Peis: Der Attentäter, in: 3-teilige Serie in "Stern" Nr. 18/1964 (3.5.1964) S. 30 ff; Nr. 19/1964 (10.5.1964) S. 46 ff; Nr. 20/1964 (17.5.1964) S. 80 ff
3Anton Hoch: Das Attentat auf Hitler im Münchener Bürgerbräukeller, in: Anton Hoch/Lothar Gruchmann: Georg Elser: Der Attentäter aus dem Volke. Der Anschlag auf Hitler im Münchener Bürgerbräu 1939, Frankfurt a.M. 1980, Fußnote 64 (1. Fassung in Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Jg. 17, 1969)
4Gottfried Odenwald: Georg Elser und Karl Kuch, zwei Königsbronner. Erwägungen zum Hintergrund des Münchener Attentats, in: Jahrbuch 1995/96 des Heimat- und Altertumsvereins Heidenheim an der Brenz, Heidenheim 1996, S. 288 ff
5Peter Koblank: Hat Karl Kuch das Elser-Attentats organisiert?, in: Online-Edition Mythos Elser
6Hellmut G. Haasis: Den Hitler jag' ich in die Luft, Berlin 1999, S. 249
7Florian Henning Setzen: Der Hitler-Attentäter Georg Elser und die vermeintlichen "Hintermänner" in der Schweiz, in: Jahrbuch 1997/98 des Heimat- und Altertumsvereins Heidenheim an der Brenz, Heidenheim 1998, S. 252
8Axel Kintzinger: Rätsel rund um den Mord an Georg Elser, in: "Focus" 14/1995 (3.4.1995) S. 60 ff
9Günter Peis: Zieh' dich aus, Georg Elser! 8-teilige Serie in "Bild am Sonntag" (8.11.1959, 15.11.1959, 22.11.1959, 29.11.1959, 6.12.1959, 13.12.1959, 20.12.1959, 27.12.1959). Der Vorname des Autors ist in der BamS fälschlich als 'Günther', im Stern und Focus hingegen richtig als 'Günter' geschrieben.
10Hierzu teilte uns Dr.-Ing. Wilfried Hitzler, ein Neffe von Kaspar Hitzler, am 3.10.2009 per E-Mail mit:
"Kaspar Hitzler war kein Gegner des NS-Regimes, sondern seit 1936 Mitglied der NSDAP. Wegen des mir insgesamt als nicht sauber recherchiert erscheinenden Artikels [im "Stern"] möchte ich diesen Hinweis gerne veröffentlicht sehen. Ich distanziere mich aber ausdrücklich von jedwedem Versuch, mich dadurch in die Nähe nazionalsozialistischen Gedankenguts zu bringen. Ich verabscheue, wie dies auch mein verstorbener Vater und Bruder von Kaspar Hitzler, Albert Hitzler, tat, die NSDAP. [...]
Übrigens ist der Tod meines Onkels Kaspar Hitzler nicht abschließend geklärt. Er ist im Juli 1941 in der Freizeit in einem Baggersee bei Bordeaux ertrunken. Ein Hüne von Mann und bester Schwimmer. Mein Vater und jedwedes anderes Familienmitglied durften nicht zur Beerdigung. Der Familie wurde gesagt, er sei in einem Strudel, durch Bodenversackung ausgelöst, hinabgezogen worden. Man habe seine Hilferufe als Spaß aufgefaßt und erst zu spät erkannt, daß es ernst war und einen Schäferhund nach ihm geschickt. Andere sagen, weil er ein Königsbronner war und bei Vollmer als Kraftfahrer gearbeitet hat und Herrn Kuch zumindest flüchtig kannte, haben seine Kameraden den Hund nach ihm geschickt, um ihn zu ermorden."

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Dieser Artikel ist Teil der Online-Edition Mythos Elser.