Der zweite Wachtposten hielt uns nicht direkt an, er gab nur ein Zeichen, dass wir langsam fahren sollten. Er stand
an einer Kurve auf der Straße, genau an der Stelle, wo es auf die gerade Strecke ging, von der man einen Blick
auf die Grenze hatte. Irgendwie schien mir alles anders auszusehen als an den vorherigen Tagen. Dann bemerkte ich,
dass die deutsche Schranke über die Straße, die immer geschlossen gewesen war, jetzt oben war; nichts
schien zwischen uns und dem Feind zu sein. Mein Gefühl, dass eine Gefahr drohte, war sehr stark. Eigentlich sah der
Schauplatz friedlich aus. Man sah niemanden außer einem uniformierten deutschen Zollbeamten, der in unsere Richtung schlenderte und einem kleinen Mädchen, das mitten auf der Straße vor dem Restaurant mit einem großen schwarzen Hund und einem Ball spielte.
Café Backus mit heruntergelassenen Markisen an der Veranda im Erdgeschoss. Quelle: Sigismund Payne Best, The Venlo Incident, London 1950
Ich muss ziemlich abgebremst haben, denn Klop rief: "Fahren Sie weiter, es ist alles in Ordnung." Ich kam mir
wie ein Dummkopf vor, weil ich so nervös war. Langsam fuhr ich den Wagen nach links vor das Restaurant und parkte
dann rückwärts ein auf dem Parkplatz an der Seite vom Gebäude, die am weitesten von der Grenze entfernt war.
Schaemmel stand an der Ecke auf der Veranda und machte ein Zeichen, dass ich so verstand, dass unser Vogel drinnen
sei. Ich machte den Motor aus, und Stevens stieg rechts aus. Mein Auto hatte Linkssteuerung.
Ich hatte mich gerade hinter dem Lenkrad herausgeschlängelt, um ihm zu folgen, da hörte ich plötzlich
Schreie und Schüsse. Ich schaute hoch und sah durch die Windschutzscheibe einen großen offenen Wagen,
der um die Ecke fuhr, bis unsere Stoßstangen sich berührten. Er schien vollgepackt zu sein mit
grobschlächtigen Männern. Zwei von ihnen hockten auf der Motorhaube und feuerten mit Maschinenpistolen
über unsere Köpfe, die anderen standen im Auto oder auf den Trittbrettern. Alle schrieen und fuchtelten
mit Pistolen herum. Vier Männer sprangen vom Auto, noch bevor es anhielt, stürzten auf uns zu und riefen:
"Hände hoch!"
Ich kann mich wirklich nicht mehr erinnern, wie ich aus dem Auto gestiegen bin, aber als die Männer uns erreicht hatten,
stand ich jedenfalls links neben Stevens. Ich hörte, wie er sagte: "Jetzt sind wir dran, Best." Die letzten
Worte, die wir für über fünf Jahre wechselten. Dann wurden wir gepackt. Zwei Männer zielten mit
ihren Pistolen auf unsere Köpfe, die beiden anderen legten uns schnell Handschellen an.
Ich hörte rechts hinter mir Schüsse. Ich drehte mich um und sah Klop. Er musste hinter uns im Schutz der
offenen Autotür herausgekrochen sein. Er rannte weg von uns schräg hin zur Straße. Er rannte
seitwärts in großen Sprüngen und feuerte dabei auf die Männer, die uns gefangen genommen hatten.
Er sah elegant aus, beide Arme waren ausgestreckt - fast wie ein Balletttänzer. Ich sah die Windschutzscheibe
des deutschen Autos in einen Stern zersplittern, und dann fingen die vier Männer, die vor uns standen,
an zu schießen. Und nach ein paar weiteren Schritten schien Klop zu schrumpfen und wie ein dunkler Haufen
Kleider im Gras zusammenzufallen.
"Jetzt, marsch!", riefen die Männer, die uns gefangen genommen hatten, und
stießen uns mit ihren Pistolen ins Kreuz. Mit Rufen von "Hopp, hopp, hopp!" brachten sie uns
schnell auf der Straße zur Grenze. Als wir an der Vorderseite des Restaurants vorbeikamen, sah ich
meinen armen Jan, wie ihn zwei Männer an den Armen hielten und mit dem Gesicht nach unten fortschleppten.
Mir schien sein Kinn gerötet wie von einem Schlag. Dann waren wir über der Grenze. Die schwarz-weiße
Schranke senkte sich hinter uns. Wir waren in Nazi-Deutschland.
Quelle: Sigismund Payne Best, The Venlo Incident, London 1950, S. 7 ff. Übersetzung: Inge McCormick.