Alfred Naujocks: Eine verflixt heikle Geschichte


  
Alfred Naujocks (links) mit Reinhard Heydrich, 1934
Quelle: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz
Es war eine verflixt heikle Geschichte. Uns war gar nicht wohl in unserer Haut, obwohl wir weiß Gott schon eine ganze Menge hinter uns hatten. Der "Überfall" auf den Sender Gleiwitz war bestimmt kein Kinderspiel gewesen.

Aber dieses Venlo war doch etwas anderes. Zwei Menschen bei Nacht und Nebel über die Grenze zu holen, ist verflixt nicht so einfach.

Wir sollten natürlich trotz allem sehr zurückhaltend arbeiten, weil es sich bei Holland immerhin um ein neutrales Land handelt.

  Quelle: US National Archives and Records Administration, NARA CW-004
   Naujocks 1945
   in US-Gefangenschaft

Wir warteten etwa 150 Meter vor der Grenze. Bis zum Treffpunkt Café Backhuis hatten wir etwa 300 Meter zurückzulegen. Das war mit einem Schnellstart des Wagens bequem zu schaffen.

Wir konnten ungehindert bis unmittelbar an ihren Wagen heranfahren. Sie schöpften gar keinen Verdacht. Als wir ganz dicht bei ihnen waren, sprangen wir mit einem Satz aus dem Auto.

Jetzt war natürlich doppeltes Tempo notwendig. Wir waren immerhin in nächster Nähe der holländischen Zollstation.

In der deutschen Zollstation legten wir den Engländern Handschellen an, und dann gings direkt nach Berlin.

Quelle: Günter Peis, Zieh' dich aus, Georg Elser!, Bild am Sonntag (13.12.1959), Hamburg 1959


Alfred Helmut Naujocks (* 20.9 1911 in Kiel, † 4.4.1966 in Hamburg), SS-Sturmbannführer, trat 1931 in die SS ein. Von 1934 bis 1941 war er Mitarbeiter beim Sicherheitsdienst (SD), dem von Reinhard Heydrich geleiteten Geheimdienst der SS.
  • Im Januar 1935 schaltete er in der Tschechoslowakei einen illegalen Radiosender der "Schwarzen Front" aus. Dabei kam Rudolf Formis, ein Mitstreiter von Otto Strasser, im Záhoří Hotel in Slapy ums Leben.
  • 1936 fälschte er Unterlagen, die den sowjetischen Marschall Tuchatschewskij belasteten, und löste damit einen Säuberungswelle in der Roten Armee aus. Stalin ließ tausende Offizieren wegen "Sabotage und Verschwörung" liquidieren. Tuchatschewskij wurde am 12.6.1937 erschossen.
  • Er war für den inszenierten Überfall auf den Sender Gleiwitz am 31.8.1939 verantwortlich, der den deutschen Einmarsch in Polen begründen sollte. Nach dieser und parallel dazu durchgeführten Aktionen konnte Hitler am nächsten Morgen verkünden: "Seit 5:45 Uhr wird zurückgeschossen!"
  • Er leitete das SS-Sonderkommando beim Venlo-Zwischenfall.
  • Er hatte die Idee, die britische Wirtschaft mit gefälschten Banknoten zu überschwemmen. Zwischen 1942 und 1945 wurden über 100 Millionen gefälschter Pfundnoten hergestellt und in Umlauf gebracht. Die Fälschungen waren so perfekt, dass sie fast nicht vom Originalgeld unterschieden werden konnten, die Bank of England rief nach dem Krieg alle 50-Pfund-Noten zurück und ersetzte diese durch eine neue Serie.
  • Anfang 1941 wurde Naujocks aus dem SD entlassen, weil er sich mit Heydrich überworfen hatte. Er wurde degradiert und kam im Februar 1941 als Mitglied der Waffen-SS an die Ostfront.
  • Ab September 1942 arbeitete er in der wirtschaftlichen Abteilung der Militärverwaltung von Belgien.
  • 1944 desertierte er, ergab sich am 19. Oktober 1944 den Amerikanern und sagte später bei den Nürnberger Prozessen aus.
  • Naujocks ließ sich nach dem Krieg in Hamburg nieder, wo er unbehelligt bis zu seinem Tode als Geschäftsmann lebte.

  
   Naujocks um 1960
   Quelle: Günter Peis

1960 schrieb der österreichische Journalist Günter Peis die Memoiren von Naujocks unter dem Titel The Man Who Started The War. Peis hatte Naujocks bereits bei den Nürnberger Prozessen kennengelernt und ihn auch in seiner Reportage Zieh dich aus, Elser zum Venlo-Zwischenfall zitiert.

Alfred Naujocks: Der Venlo-Zwischenfall
www.venlo-zwischenfall.de
Venlo-Zwischenfall - Akteure
Walter Schellenberg: Der Venlo-Zwischenfall
Sigismund Payne Best: The Venlo Incident
SS-Dienstgrade

Alfred Naujocks: Überfall auf den Sender Gleiwitz