Der KZ-Kommandant und das Bürgerbräu-Attentat

Hat sich Hans Loritz damit gebrüstet, den Anschlag auf Hitler durchgeführt zu haben?

Nach Kriegsende haben sich verschiedene Personen als die wahren Verantwortlichen für das Bürgerbräu-Attentat geoutet. Hierzu berichtet Elser-Biograf Hellmut G. Haasis: "Hans Loritz, 1940 bis 1942 Kommandant des KZ Sachsenhausen, brüstete sich auf einmal damit, er habe das Attentat gegen Hitler durchgeführt. ... Damit war Elsers Befreiungstat in schlechteste Hände geraten. Loritz entzog sich der Debatte, am 31. Januar 1946 wählte er den Freitod." 1


VON PETER KOBLANK (2011)

Hans Loritz - Foto: Metropol Verlag

Hans Loritz

  
Der 1895 in Augsburg geborene Hans Loritz trat 1930 in NSDAP und SS ein. Er machte Karriere und wurde seinem Biografen Dirk Riedel zufolge nicht nur einer der brutalsten, sondern auch der ranghöchste der KZ-Kommandanten.

Ab Juli 1934 war er Kommandant des KZ Esterwegen in Papenburg/Emsland. Im Frühjahr 1936 stieg er auf zum Lagerkommandant des KZ Dachau. Im Dezember 1939 kam Loritz als Lagerkommandant in das KZ Sachsenhausen. Im September 1942 wurde er wegen Verdacht auf Korruption nach Norwegen strafversetzt, wo er für den Schutz von Fabriken gegen Sabotageakte verantwortlich war.

Als gesuchter Kriegsverbrecher floh er nach Kriegsende mit falschen Papieren nach Schweden. Im September 1945 wurde er nach Deutschland verschifft, erkannt und in Lübeck verhaftet. Anfang 1946 erhängte Loritz sich in seiner Zelle im Internierungslager Neumünster.

   SZ 21.7.1949

Haasis schreibt in seiner Neuauflage von 2009 zu dieser Abbildung: "Der ehemalige KZ-Kommandant Hans Loritz (Selbstmord 21. Januar 1946) hatte nach Kriegsende das Attentat als eigene Tat beansprucht." Man muss sich fragen: Würde ein Karikaturist einen KZ-Kommandanten so zeichnen?

Haasis belegt seine Geschichte in seiner Neuauflage von 2009 zusätzlich mit einer Karikatur, die am 21.7.1949 in der Süddeutschen Zeitung abgedruckt wurde. 2 Wir erfahren aber nicht, ob Hans Loritz behauptet hatte, dass er Hitler 1939 tatsächlich beseitigen wollte oder ob er ein angeblich von den Nationalsozialisten selbstinszeniertes Attentat geleitet hatte.

Eigenartig auch, dass die Süddeutsche dreieinhalb Jahre nach Hans Loritz' Tod plötzlich darüber berichtete. Ein Blick in die SZ vom 21.7.1949 klärt den Sachverhalt auf. Ein Artikel mit dem Titel "Das umstrittene Attentat im Bürgerbräukeller" beginnt wie folgt:3

Der CSU-Bezirksverband Oberfranken forderte auf seiner letzten Tagung in Lichtenfels die Aufklärung der Zusammenhänge des am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller verübten Sprengstoffattentats gegen Hitler, als dessen Urheber sich Alfred Loritz wiederholt gerühmt habe. Da bei dem Anschlag Unschuldige getötet worden seien und immer wieder behauptet werde, das Attentat sei von Hitler selbst in Szene gesetzt worden, will der Bezirksverband wissen, ob "Alfred Loritz sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht habe".

Der Artikel beschreibt anschließend ausführlich die damaligen Stand der historischen Forschung zum Attentat und zu den verschiedenen Theorien, dass Georg Strasser, der britische Geheimdienst oder die Nazis selbst hinter dem Anschlag gesteckt haben sollen. Er endet mit folgendem für die damalige Zeit erstaunlichem Fazit:

Es bleibt dabei: Georg Elser war ein fanatischer Einzelgänger. Alleintäter ohne  a n d e r e  H i n t e r m ä n n e r. Niemand sollte die heroische Einzeltat schmälern, indem er sich an ihrem Ruhme mit dunklen Andeutungen beteiligt.

Alfred Loritz

Alfred Loritz

  
Doch zurück zu unserem KZ-Kommandanten Hans Loritz: Um ihn geht es hier garnicht. Die Rede ist vielmehr von Alfred Loritz.

Der WAV-Politiker Alfred Loritz hatte sich u.a. am 9.12.1948 gegenüber der Süddeutschen Zeitung beschwert: "Es ist eine Unverschämtheit abzustreiten, dass ich der Leiter des Attentats war." 4 Im Januar 1950 berichtete der "SPIEGEL" darüber, dass der Fall Elser aufgeklärt sei und Alfred Loritz erklärt habe, "Elser war nur unser Kurier." 5 Der hochinteressante Fall Alfred Loritz wurde bereits an anderer Stelle ausführlich aufgearbeitet. 6

Die von der CSU Oberfranken im Sommer 1949 geforderte gerichtliche Ermittlung hat tatsächlich stattgefunden. Ende Februar 1950 begann auf Veranlassung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz in München ein Ermittlungsverfahrens zur Aufklärung des Bürgerbräuattentats. Dies sollte in erster Linie der Feststellung der historischen Wahrheit dienen. Anlass für das Ermittlungsverfahren waren "auch zahlreiche in letzter Zeit in Umlauf befindliche offensichtlich falsche Darstellungen der Vorgänge und vor allem die Tatsache, dass auch im öffentlichen Leben stehende Personen sich der Teilnahme an dem Attentat rühmten, obwohl starke Zweifel an der Richtigkeit dieser Behauptungen bestehen müssen." Aus den umfangreichen Aktenbänden dieses Verfahrens quillt nach Worten des Elser-Biografen Ulrich Renz geradezu die Erkenntnis, dass Elser der alleinige Täter war und dass nirgends Spuren irgendwelcher Hintermänner gefunden wurden. 7


1Hellmut G. Hassis, Den Hitler jag ich in die Luft. Der Attentäter Georg Elser, Berlin 1999, S. 247
2Hellmut G. Hassis, Den Hitler jag ich in die Luft. Der Attentäter Georg Elser, Hamburg 2009, Bild Nr. 31
3Das umstrittene Attentat im Bürgerbräukeller, in: Süddeutsche Zeitung vom 21.7.1949
4Zitiert nach Ulrike Albrecht, Johann Elser und das Attentat auf Hitler im Bürgerbräukeller am 8. November 1939, in: Materialien zur Haidhauser Geschichte, Band 3, München 1987, S. 87
5Das Spiel ist aus - Arthur Nebe, in: DER SPIEGEL 1/1950 vom 5.1.1950, S. 25
6Peter Koblank, Georg Elser war nur unser Kurier, in: Online-Edition Mythos Elser
7Ulrich Renz, Landgerichtsrat Dr. Nikolaus Naaff


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Tatsachen über den KZ-Kommandanten Hans Loritz erfährt man aus einer im September 2010 in Berlin erschienenen Biografie, der Doktorarbeit eines Historikers und wissenschaftlichen Mitarbeiters der KZ Gedenkstätte Dachau:

Dirk Riedel
Ordnungshüter und Massenmörder im Dienst der "Volksgemeinschaft": Der KZ-Kommandant Hans Loritz
Metropol Verlag, ISBN 978-3-940938-63-3
424 Seiten


SZ 21.7.1949

Süddeutsche Zeitung vom 21.7.1949 Seite 3    PDF Vergrößerbare Version (3,2 MB)

Dieser Artikel ist Teil der Online-Edition Mythos Elser.