Elser-Akte der Kripo Stuttgart
Vernehmungen im Ermittlungsverfahren der Generalstaatsanwaltschaft München (1950)
Am 23. Februar 1950 ordnete das Bayerische Justizministerium unter dem Aktenzeichen II 23321/49 die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zur Aufklärung des Bürgerbräuattentats vom 8. November 1939 an. In diesem Zusammenhang musste auch die württembergische Kriminalpolizei verschiedene Ermittlungen durchführen. Hierzu gibt es eine Akte der Stuttgarter Kriminalhauptstelle der Landespolizei Württemberg, die im Staatsarchiv Ludwigsburg des Landesarchivs Baden-Württemberg aufbewahrt wird.
VON PETER KOBLANK (2020)
Im November 2020 wurde diese Elser-Akte der Kripo Stuttgart vom Georg-Elser-Arbeitskreis Heidenheim vollständig im Internet veröffentlicht.
Dabei stellte sich heraus, dass es sich größtenteils um Durchschriften von Aussagen handelt, die die Kripo Württemberg im Sommer 1950 für die Generalstaatsanwaltschaft in München bei Bekannten und Verwandten Georg Elsers sowie bei den Polizeibeamten, die 1939 in Stuttgart, Königsbronn und Schnaitheim im Fall Elser ermittelt hatten, eingeholt hat. Die Originale wurden im Juni und August 1950 nach München geschickt. Sie befinden sich in den fünfbändigen Akten dieses Ermittlungsverfahrens, die im Staatsarchiv München unter "Staatsanwaltschaften 34475/1-5" liegen.
Im Zusammenhang mit der Entdeckung des Berliner Verhörprotokolls wurden all diese Aussagen bereits in den 1960er Jahren von Mitarbeitern des Münchener Institut für Zeitgeschichte (IfZ) im Staatsarchiv München entdeckt. Sie wurden auch schon in diversen Elser-Biografien berücksichtigt.
Das IfZ hat diese aus Württemberg stammenden Dokumente zusammen mit weiteren Aussagen von Zeitzeugen und anderen Unterlagen zum Bürgerbräuattentat vor einigen Jahren als elfbändigen Bestand ZS/A-17 im Internet veröffentlicht. Aus diesem Grund stellen die Zeitzeugen-Aussagen in der Stuttgarter Kripoakte keine historische Neuheit dar.
Bei einigen Dokumenten in der Stuttgarter Akte handelt es sich um internen Schriftverkehr zwischen den Polizeidienststellen in Stuttgart, Ellwangen und Heidenheim zur Aufklärung von Wohnorten, zur Rückgabe eines Fotos und ähnliches. Diese Unterlagen erklären sich selbst und werden hier nicht weiter behandelt. Historisch interessant sind die nachfolgend knapp kommentierten Blätter der Akte. Die Akte ist so sortiert, dass sich die neuesten Dokumente vorne und die älteren dahinter befinden.
Blatt 1 bis 4 – Umschlag, Deckblatt, Foto und Aktenvermerk
Das bereits in der Literatur veröffentlichte Foto, von dem auch ein Negativ in der Akte ist, zeigt Elser mit Anzug und Krawatte am Bodensee um 1929.
Der Aktenvermerk vom 24.8.1950, dem Tag, an dem die Akte geschlossen wurde, gibt eine Kurzfassung des Bombenattentats. Es wird zu Recht vermutet, dass Elser im KZ Dachau kurz vor dem Zusammenbruch erschossen wurde. Elser wurde am 15.5.1950 für tot erklärt und als Zeitpunkt des Todes der 26.4.1945 (richtig: 9.4.1945) festgesetzt.
Blatt 5 bis 18 – Zweiter Ermittlungsbericht (23.8.1950)
Mit Schreiben des Generalstaatsanwalts München vom 9.6.1950 mit Aktenzeichen 1 Js Gen.106/50 wurde der Landespolizeiposten Königsbronn ersucht, Ermittlungen zu Georg Elser durchzuführen. Diese wurden von der Außenstelle Ellwangen der Kriminalhauptstelle Stuttgart durchgeführt. Am 23.8.1950 schickte die Kriminalhauptstelle Stuttgart die Aussagen von acht Zeitzeugen nach München. Diese sind auch in den ersten drei Bänden vom Bestand ZS/A-17 des IFZ zu finden:
Elsa Votteler, geb. Stephan, frühere Freundin von Elser | Göppingen (28.7.1950) | ZS/A-17/3-113 |
Maria Hirth, geb. Elser, Schwester von Elser | Stuttgart (4.8.1950) | ZS/A-17/1-108 |
Karl Hirth, Ehemann der Maria Hirth | Stuttgart (5.8.1950) | ZS/A-17/1-108 |
Wilhelm Rauschenberger, früherer Kriminalsekretär | Stuttgart (9.8.1950) | ZS/A-17/2-131 |
Otto Rappold, früherer Kriminalsekretär | Stuttgart (10.8.1950) | ZS/A-17/2-126 |
Otto Kessler, früherer Kriminalsekretär | Stuttgart (15.8.1950) | ZS/A-17/1-138 |
Paul Bässler, früherer Kriminalsekretär | Schloss Filseck (18.8.1950) | ZS/A-17/1-6 |
Maria Daberger, geb. Schmauder, frühere Freundin von Elser | Schnaitheim (22.8.1950) | ZS/A-17/3-19 |
Im Bericht wird abschließend erklärt, dass Elser den Ermittlungen zufolge im Privatleben ein Sonderling und Einzelgänger, im Berufsleben aber ein sehr geschickter Handwerker war und das Attentat allein durchgeführt hat.
Blatt 22 bis 36 – Erster Ermittlungsbericht (19.6.1950)
Am 19.6.1950 schickte die Außenstelle Ellwangen der Kriminalhauptstelle Stuttgart einen ersten Bericht nach München. Es handelt es um im Juni 1950 durchgeführte Ermittlungen. Da die Aussage von Vollmer auf den 20.6.1950 datiert ist, kann der Versand nach München jedoch abweichend vom angegebenen Datum erst nach dem 20.6.1950 erfolgt sein. Es geht um folgende sechs Zeitzeugen:
Maria Elser, Mutter von Elser | Königsbronn | ZS/A-17/1-75 |
Anna Lober, geb. Elser, Schwester von Elser | Königsbronn | ZS/A-17/2-62 |
Friederike Kraft, geb. Elser, Schwester von Elser | Schnaitheim | ZS/A-17/1-163 |
Karoline Schmauder, frühere Vermieterin | Schnaitheim | ZS/A-17/3-19 |
Leonhard Elser, Bruder von Elser | Königsbronn | ZS/A-17/1-60 |
Georg Vollmer, Steinbruchbesitzer | Königsbronn (20.6.1950) | ZS/A-17/3-97 |
Blatt 37links – Alfred Loritz (15.6.1950)
In diesem Schreiben des Landespolizei-Kommissariats Heidenheim an die Kriminal-Außenstelle Ellwangen geht es um den bayerischen Bundestagsabgeordneten Alfred Loritz, der im Dezember 1949 erklärt hatte, das Bürgerbräuattentat begangen zu haben. Der Akte sind keine weiteren Informationen über Loritz zu entnehmen.
Blatt 46 bis 53links – Franz Ludwig Neher (4.5.1950)
Es handelt sich um das Protokoll einer Zeugenvernehmung des in Herrsching am Ammersee lebenden Schriftstellers Franz Ludwig Neher durch das Amtsgericht Starnberg. Es ist unklar, warum dies in die Elser-Akte der Kripo Württemberg kam. Neher hatte eine dubiose Reportage geschrieben, in der Franz Josef Huber, der 1939 als Leiter der Täterkommission führend an den Ermittlungen des Elser-Attentats beteiligt war, und vier weitere Personen sich in einem Krankenzimmer eines Internierten- und Arbeitslagers über den Fall Elser unterhalten. Diese Reportage wurde in gekürzter Form in der Münchener Wochenzeitung "Echo der Woche" veröffentlicht, wobei aus dem Protokoll nicht hervorgeht, in welcher Ausgabe. Diese Wochenzeitschrift erschien zwischen 1948 und 1952, ihr Chefredakteur war längere Zeit Hans Habe. Dem Protokoll beigefügt ist eine ungekürzte Version dieser Reportage.
Blatt 54rechts bis 55 – Georg Vollmer
Es handelt sich um die Abschrift eines dreiseitigen Schreibens, das Georg Vollmer an die "Rundfunk-Direktion München" adressiert hat. Wann er dies verfasst hat und ob er das tatsächlich an den Sender geschickt hat, ist nicht ersichtlich. Vollmer war der Besitzer des Steinbruchs, an dem Elser das Dynamit für seine Bombe gestohlen hat. Vollmer präsentiert sich als Gegner des Dritten Reichs und stellt die Theorie auf, dass Elser das Attentat im Auftrag der NSDAP ausgeführt hat.
Etwas verwirrend ist, dass die erste und die dritte, nicht aber die zweite Seite dieser Abschrift auf den Blättern 53rechts und 54links ein weiteres Mal in der Akte enthalten sind.
Elser-Akte der Kripo Stuttgart auf georg-elser-arbeitskreis.de
Dieser Artikel ist Teil der Online-Edition Mythos Elser.