Die große Propagandaaktion zum "Tage der erwachenden Nation ist nun in allen Einzelheiten festgelegt. Sie wird wie eine herrliche Schau in ganz Deutschland abrollen. Der Führer ist von München zurück. Er hat dort und in Nürnberg mit ganz großem Erfolg gesprochen. Er ist begeistert von dem bisherigen Verlauf unserer Wahlkampagne. Ich gebe der Presse Anweisungen für die Vorbereitung des "Tages der erwachenden Nation". Auf diesen einzigen Punkt konzentrieren wir nun das ganze öffentliche Interesse. Es wird uns gelingen, mit diesem Tag alles herauszureißen. Abends sitze ich zu Hause und arbeite.
Um 9 Uhr kommt der Führer zum Abendessen. Wir machen Musik und erzählen. Plötzlich ein Anruf von Dr. Hanfstaengl: "Der Reichstag brennt!" Ich halte das für eine tolle Phantasiemeldung und weigere mich, dem Führer davon Mitteilung zu machen. Ich orientiere mich nach allen Seiten und erhalte dann die furchtbare Bestätigung: es stimmt. Lichterloh schlagen die Flammen aus der großen Kuppel. Brandstiftung! Ich benachrichtige gleich den Führer, und dann rasen wir im 100-km-Tempo die Charlottenburger Chaussee herunter zum Reichstag.
Brennender Reichstag
Das ganze Gebäude steht in Flammen. Über dicke Feuerwehrschläuche gelangen wir durch das Portal 2 in die große Wandelhalle. Auf dem Wege dahin kommt Göring uns entgegen und bald danach ist auch v. Papen da. An vielen Stellen wurde schon Brandstiftung festgestellt. Es besteht kein Zweifel, daß die Kommune hier einen letzten Versuch unternimmt, durch Brand und Terror Verwirrung zu stiften, um so in der allgemeinen Panik die Macht an sich zu reißen. Nun ist der entscheidende Augenblick gekommen.
Göring ist ganz groß in Fahrt. Der Führer verliert nicht einen Augenblick seine Ruhe; bewundernswert, ihn hier seine Befehle erteilen zu sehen, denselben Mann, der vor einer halben Stunde noch sorglos plaudernd bei uns im Abendessen saß.
Das Plenum bietet ein einziges Bild der Vernichtung. Die Flammen schlagen zur Decke herauf, die jeden Augenblick einzustürzen droht. Nun aber heißt es handeln.
Sofort verbietet Göring die gesamte kommunistische und sozialdemokratische Presse. Die kommunistischen Funktionäre werden in der Nacht dingfest gemacht. Die S.A. wird alarmiert, um für jeden Eventualfall bereitzustehen.
Ich rase zum Gau, um dort alles zu informieren und für jede Möglichkeit instandzusetzen. Der Führer berät sich in einem eilig zusammengerufenen Kabinettsrat. Wir treffen uns kurz darauf wieder im Kaiserhof und besprechen die Situation.
Marinus van der Lubbe
Ein Täter ist bereits gefaßt, ein junger holländischer Kommunist mit Namen van der Lubbe. Ich fahre mit dem Führer zur Redaktion des "Völkischen Beobachters". Wir gehen dort beide gleich an die Arbeit, schreiben Leitartikel und Aufrufe. Ich ziehe mich in den Gau zurück, um ungestört diktieren zu können.
Mitten in der Nacht noch erscheint Oberregierungsrat Diels vom preußischen Innenministerium und gibt mir eingehend Bericht über die bisherigen Maßnahmen. Die Verhaftungen sind reibungslos verlaufen. Die ganze kommunistische und sozialdemokratische Presse ist bereits verboten. Wenn Widerstand geleistet wird, dann Straße frei für die S.A.
Es ist schon Morgen, da treffe ich wieder den Führer im Kaiserhof. Pressemäßig ist nun alles in Ordnung. Die Linie unserer Agitation ist durch die Ereignisse selbst festgelegt. Nun können wir aufs Ganze gehen. Die K.P.D. soll sich getäuscht haben. Sie glaubt uns zu stürzen, in Wirklichkeit hat sie sich selbst den Todesstoß versetzt.
Zwei S.A.-Männer sind in der Nacht in Berlin erschossen worden. Sie werden nicht ungesühnt von uns gegangen sein. Aufgerieben und abgehetzt komme ich morgens um 8 Uhr nach Hause. [...]
28. Februar 1933 (Kaiserhof)
Ich schreibe ein wirkungsvolles Plakat gegen die K.P.D. und S.P.D. Es erscheinen im ganzen Reich keine marxistischen Zeitungen mehr.
NSDAP-Plakat
Göring hat in Preußen einen großen Feldzug gegen die roten Parteien eröffnet; er wird mit ihrer vollständigen Vernichtung enden.
Das Kabinett hat eine sehr scharfe Verordnung gegen die K.P.D. beschlossen. Diese Verordnung sieht die Todesstrafe vor. Das ist auch notwendig. Das Volk verlangt das jetzt. Es erfolgen Verhaftungen über Verhaftungen.
Nun wird die rote Pest mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Widerstand zeigt sich nirgendwo. Das gegnerische Lager scheint durch unser plötzliches und scharfes Durchgreifen so verblüfft zu sein, dass es sich gar nicht mehr zu wehren wagt.
Ich schaue mir im Reichstag die Folgen der Brandnacht an. Das Plenum bietet ein einziges Bild von Verwüstung. Trümmer über Trümmer. Das wird der K.P.D. teuer zu stehen kommen. Im ganzen Volk herrscht eine unbeschreibliche Empörung über dieses feige Attentat.
Nun läuft die Arbeit wie von selbst. Das Schlimmste ist vorbei. Die hoffentlich letzte Panne ist glücklich überwunden. Noch ein paar Tage und dann werden wir unseren großen Triumph feiern können. Es ist wieder eine Lust zu leben.
[...] Beim Führer: [...] Wir erzählen über Attentat Bürgerbräu.
Hintermänner noch immer nicht gefunden. Attentäter schweigt unentwegt. Führer meint, Otto Straßer.
Bei Reichstagsbrand tippt er auf Torgler als Urheber. Halte das für ausgeschlossen. Dazu ist
er viel zu bürgerlich. Für unsere Polizei und Justiz und ihren Spürsinn hat der Führer keine freundliche Anerkennung.
[...]
Quelle: Joseph Goebbels, Tagebücher 1924-1945
Joseph Goebbels (* 29. Oktober 1897 in Rheydt; 1. Mai 1945 in Berlin) war einer der
wichtigsten NS-Politiker im Dritten Reich. Neben zahlreichen anderen Staats- und Parteiämtern
leitete er das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda.
Goebbels führte seit Oktober 1923 regelmäßig Tagebuch. Seine nicht zur Veröffentlichung bestimmten,
lediglich als Materialsammlung für spätere Ausarbeitungen gedachten Aufzeichnungen und Diktate zählen
zu den wichtigsten Quellen der Geschichte des Dritten Reiches.
In der Endphase des Zweiten Weltkriegs ließ Goebbels seinen kompletten Original-Tagebuchbestand mit Hilfe eines
Vorläuferverfahrens der heutigen Mikrofichierung sichern. Rund 43.000 Seiten wurden verkleinert und auf
etwa 10 x 15 Zentimeter große Glasplatten fotokopiert.
1992 entdeckte Elke Fröhlich diese Glasplatten im ehemaligen Sonderarchiv in Moskau. Im Auftrag des Instituts
für Zeitgeschichte (IfZ) veröffentlichte sie die Goebbels-Tagebücher zwischen 1992 und 2005 in zwei Teilen
mit insgesamt 29 Bänden. - Die obigen Zitate stammen aus einer 1992 von Ralf Georg Reuth herausgegebenen und
1999 erweiterten 5-bändigen Edition wichtiger Teile der Goebbels-Tagebücher.