Georg Elsers Berliner Verhörprotokoll
Wer war der dritte Kriminalkommissar?
Erich Kasberger hat das Rätsel gelöst: Kriminalrat Hans-Georg Schmidt
VON PETER KOBLANK (2025)
Vom 19. bis zum 23. November 1939 wurde Georg Elser in Berlin verhört. Das Berliner Verhörprotokoll wurde von drei Kriminalkommissaren unterzeichnet:
Wer Kappler und Seibold waren, hat Ulrich Renz im Jahre 2008 im Band 9 der Schriftenreihe der Georg Elser Gedenkstätte Königsbronn mit dem Titel Elser und die Kommissare dargestellt.
Aber wer sich hinter dem Allerweltsnamen Schmidt verbarg, war bisher ein Rätsel. Ulrich Renz vermutete 2013, dass dies Friedrich Schmidt gewesen sein könnte. Er wurde am 6. Dezember 1908 in Bochum geboren und nannte sich später Schmidt-Schütte. Seit 1936 war er bei der Gestapo, wurde stellvertetender Leiter der Gestapo-Leitstelle Hannover und wechselte 1939 ins Reichssicherheitshauptamt. Seit Januar 1939 war er Regierungsrat und SS-Sturmbannführer (entspricht Major) und wäre der ranghöchste der drei Kriminalkommissare gewesen.
Der Historiker Erich Kasberger hat nun endgültig herausgefunden, wer dieser Kriminalkommissar Schmidt in Wirklichkeit war. In seinem neuesten Werk Macht auf Zeit: Die Gestapo München schreibt er auf Seite 445:

Es handelte sich um Kriminalrat Hans-Georg Schmidt, geboren 1902 nahe Schwabach. In seinem Spruchkammerakt gab er an: "Dann war ich von Nov. 1939 bis etwa 1940 mit der Aufklärung des Attentates im Bürgerbräu-Keller beauftragt und während dieser Zeit beim Reichssicherheitsdienst in Berlin, wo ich insbesondere die Vernehmung des Attentäters Elser mitdurchzuführen hatte."390
390 | StAM SpkA K 1647, Schmidt, Johann [Hans-Georg]: BArch B 162/9452. Aussage Hans-Georg Schmidt in der Sache Georg Hempen v. 25.06.1962. |
Diese Entdeckung war ein eher zufälliger Beifang bei Kasbergers Recherchen für sein neuestes Buch. Auch wenn manche Fragen offen bleiben, nicht zuletzt sein Sterbedatum, erfährt man dennoch eine ganze Menge über diesen SS-Sturmbannführer. Die folgende Darstellung basiert ausschließlich auf Kasbergers Buch. Die Angaben zwischen eckigen Klammern sind die Seitenzahlen der Fundstellen.
- Johann (auch Hans-Georg oder Hans Georg) Schmidt wurde am 30. Mai 1902 in Schwabach geboren.[390, 445, 660]
- Er war Mitglied des im Jahre 1919 gegründeten Freikorps Oberland.[660]
- 1933 kam er zur damals von Himmler neu gegründeten Bayerischen Politischen Polizei und war im bayerischen Innenministerium im Referat 20 der Politischen Polizei tätig[446] Im selben Jahr wurde er Mitglied der NSDAP sowie der Allgemeinen SS.[660]
- 1937 wurde er als Kriminalkommissar zur Gestapo in Neustadt an der Weinstraße versetzt, danach zur Gestapo Saarbrücken.[446]
- 1939/40 war er Mitglied der "Zentralkommission Anschlag München" im Reichssicherheitshauptamt Berlin und einer der drei unterzeichnenden Kommissare des Berliner Verhörprotokolls.[446, 660]
- Ab Mitte 1943 war er Leiter der Gestapo-Dienststelle Metz. Er ließ dort ein Gefängnis einrichten, das Sonderlager "Feste Goeben".[485] Er war gleichzeitig Stellvertreter von Anton Dunckern, dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Metz.[485, 617]
- Im September 1944 verlegte er wegen des Herannahens der Alliierten die Gestapo-Dienststelle Metz nach Neustadt an der Weinstraße, aber auf Veranlassung Himmlers wieder zurück nach Metz.[502] Anschließend organisierte er die Absetzbewegung nach Bayern.[660]
- Während des Krieges war er Kommandant mehrerer Standgerichte, daher wurde er nach 1945 von der Staatsanwaltschaft Nürnberg wegen 14-fachem Mord belangt, aber offensichtlich ohne Ergebnis.[485, 694]
- Beim Kriegsende war er Kriminalrat und SS-Sturmbannführer (entspricht Major).[660]
- 1948 wurde er von der Lagerspruchkammer Dachau im Spruchkammerverfahren als Mitläufer eingestuft, später erhielt er ein Ruhegehalt nach dem 131-Gesetz. In den Polizeidienst trat er nicht mehr ein.[485, 706]
- 1951 verurteilte das Militärtribunal Metz ihn sowie Georg Hempen, den Lagerverwalter des Sonderlagers "Feste Goeben", in Abwesenheit zum Tode.[485, 660]
- 1962 wurde ein Verfahren beim Landgericht Oldenburg gegen ihn wegen der vorangegangenen Verurteilung im Jahre 1951 in Frankreich (die aber keinerlei Folgen für Schmidt hatte) eingestellt.[617, 706, 660]
- 1966 erkrankte er und war bei einem Gerichtsverfahren gegen Anton Dunckern nicht mehr vernehmungsfähig.[617, 706]
- Ehrungen: Erinnerungsmedaille 1923, Blutorden, SS-Totenkopfring.[660]
Dieser Artikel ist Teil der Online-Edition Mythos Elser.